36. Jahrgang · 8,50 € HHK Ausgabe 5/2020 ISSN 0933-3355 www.hardthoehenkurier.de Für ein starkes europa MBDA plant Enforcer-Produktfamilie ©MBDA www.germannaval.com PARTNERSCHAFTEN NEU DENKEN – KOOPERATIONEN LEBEN3HHK 5/2020 Editorial Vor der Krise nach der Krise Mit der „Bazooka“ feuert der Bundesfinanzmi- nister eine Milliarde nach der anderen ab, um die Folgen der Corona-krise zu mildern. Hauptsache, bis zum Herbst kommenden Jahres steht der deut- sche Bundesbürger noch gut da und würdigt das an der Wahlurne. Die rechnung wird später bezahlt. Von wem, ist klar. sagt nur keiner. und wie, sagt auch keiner. War da nicht einmal ein Bundestagswahlkampf, in dem die spD eine Mehrwertsteuererhöhung rigoros ablehnte und die union zwei prozent ankündigte. Wenige Monate später, in der ersten Groko, einigte man sich dann mal ganz schnell auf drei prozent. Von 16 auf 19, die größte erhöhung aller Zeiten. aber dieses Mal kommt es bestimmt ganz anders. oder? auch wenn der einzelplan 14 glücklicherweise 2021 noch einen Zuwachs verzeichnet, wird er mittel- fristig stagnieren. Der spielraum für investitionen verringert sich. pures Gift für die Modernisierung der streitkräfte. Der kampf zwischen den militäri- schen organisationsbereichen um die knapper wer- denden Mittel wird intensiver. Gift auch für unsere rolle als Vorbild für andere nationen in europa. nur wenn wir einen angemessenen Beitrag leisten, werden unsere Verbündeten, zumeist noch schwerer von der krise getroffen als wir, mitziehen. Kalt erwischt! auf den stopp des auswahlprozesses für den schweren transporthubschrauber war die industrie nicht vorbereitet. nach abgabe der indikativen an- gebote im Januar hatte es – so hörte man aus bei- den Lagern – durchaus konstruktive Gespräche mit dem BaainBw gegeben. aus heiterem Himmel dann diese nachricht. Das projekt rutscht nach hinten. Fatal, da schon jetzt absehbar ist, dass die Haushaltsmittel nicht für alle Beschaffungsvorha- ben reichen werden. Wie sagte kürzlich ein hochrangiger ausrüster mit Blick auf die Zahlen: Für ein Beschaffungsprogramm der Luftwaffe kann man den gesamten sanitäts- dienst modernisieren. Da fragen sich so manche, was denn nun von der nächsten regierung geop- fert wird? Das „French Combat air system“, die F-18 wegen der aufgabe der nuklearen teilhabe aus rücksicht auf einen koalitionspartner, die schwe- ren transporthubschrauber oder doch das taktische Luftverteidigungssystem? übrigens: sollte es tatsächlich so kommen, dass das Bruttosozialprodukt deutlicher sinkt als der Vertei- digungshaushalt, könnten wir schon in wenigen Jahren das Zwei-prozent-Ziel der nato erreichen. ungeachtet unserer beschränkten militärischen Fähigkeiten würde es sicherlich als großer erfolg kommuniziert werden. so ist eben politik. Unglaublich – aber wahr! Dass eine rüge zur entscheidung des BaainBw für das neue sturmgewehr eingelegt wird, durfte man erwarten. Dass das BMVg jedoch schon jetzt hektisch einen rückzieher macht und den Zu- schlag an die Firma C.G. Haenel aufhebt, ist in der tat eine „gigantische Blamage“ (MdB tobias Lind- ner, B90/Grüne), das „zweite Fiasko innerhalb von 14 tagen“ (MdB Fritz Felgentreu, spD). Der Ver- gabeprozess läuft seit 2017. und nun wird wenige tage nach der vorauszusehenden rüge des kon- kurrenten wieder alles auf null gedreht. Wann und wie es weiter geht, steht in den sternen. eine lange juristische auseinandersetzung droht. Da können die soldaten der Bundeswehr nur froh sein, dass das G36 besser ist als der ruf, den ihm die ehema- lige Verteidigungsministerin – auch aus politischen Motiven – verpasst hatte, meint ihr Burghard Lindhorst, Chefredakteur„Kriegstüchtigkeit ist das oberste Ziel“,betont GenLt Mais. Seite 20 ©Bw/Marco Dorow Inhalt 5/2020 Im Gespräch mit MdB Tobias Lindner. Seite 8 ©Stefan Kaminski GenLt Schelleis wertet „DEFENDER-Europe 20“ aus. Seite 12 ©Lindhorst GenLt Marlow: „Das I. Deutsch-Niederländische Corps ist auf dem Weg zum Warfighting HQ.“ Seite 32 ©1GNC Unter Corona-Bedingungen: Symposium des Förderkreis Heer und Marineworkshop der DWT. Seite 24 ©Lindhorst Heron 1: Zehn Jahre im Einsatz. Seite 50 ©Bw/Daniel Richter Verbesserte Treibladungen erhöhen die Reichweite der Rohrartillerie. Seite 104 ©Nitrochemie Das Kommando Hubschrauber wird in Bückeburg aufgestellt. Seite 36 ©IntHubschrAusbZ Erste Erfahrungen mit der F125. Seite 42 ©Bw/Carsten Vennemann5 Inserentenverzeichnis: aFCea Bonn e.V. .............................................seite 69 atM Computersysteme GmbH ......................seite 77 BWi GmbH ......................................................seite 75 Deutscher BundeswehrVerband e.V. ............seite 91 Dynamit nobel Defence GmbH .....................seite 19 eurospike GmbH ............................................seite 101 GerMan naVaL YarDs kieL GmbH ............seite u2 HHk-online Jobbörse .....................................seite 80 koehler Books ................................................seite 63 krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. kG ...seite u4 LiteF GmbH .....................................................seite u3/Flyer editorial 3 Politik Generalprobe am Berliner Flughafen Ber 6 interview mit MdB Dr. tobias Lindner (Bündnis 90/Die Grünen), obmann im Verteidigungs- ausschuss und Mitglied im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages 8 Bewaffnung von Drohnen: spD signalisiert Zustimmung 11 Bundeswehr interview mit Generalleutnant Martin schelleis, inspekteur der streitkräftebasis und nationaler territorialer Befehlshaber, und oberst i.G. Jörg Bestehorn, uaL J3 im kommando streitkräftebasis 12 20 Jahre im Blick – aus der Geschichte der skB 16 Vorgestellt: der zweite inspekteur Cyber- und informationsraum, Vizeadmiral Dr. thomas Daum 18 Zur Vertiefung des Verständnisses 19 „Das oberste Ziel ist kriegstüchtig- keit!“ rede inspekteur Heer 20 symposium des Förderkreis Deutsches Heer e.V. bei der FFG 24 interview mit Generalleutnant andreas Marlow, kommandierender General des i. Deutsch-niederlän- dischen Corps in Münster 32 Das kommando Hubschrauber wird in Bückeburg aufgestellt 36 Die schießausbildung der panzertruppen 38 ein großer Fortschritt im Marineschiffbau – erste erfahrungen mit der Fregatte klasse 125 42 Weiterführende Digitalisierung in der Marine Der 22. DWt-Marineworkshop 46 Materna information & Communications se ...seite 83 MBDa Deutschland GmbH .............................seite titel Men - Metallwerk elisenhütte GmbH ...........seite 93 Mittler Books ...................................................seite 111 national air Cargo (Deutschland) GmbH .....seite 17 pearson engineering Ltd .................................seite 27 raytheon international, inc. ..........................seite 55 rheinmetall aG ..............................................seite 23 roda computer GmbH ....................................seite 71 securiton Deutschland ...................................seite 53 sun test systems B.V. .....................................seite 29 sZenaris GmbH .............................................seite 65 Zehn Jahre Heron 1 im einsatz – erfahrungen und ausblick 50 Das Deployable Control and reporting Centre – ein Beitrag zur Bündnisverteidigung außerhalb Deutschlands 56 erfahrungen aus zwei Jahren Vorsitz im nato Military police panel 60 BundeswehrZentralkrankenhaus testet den ernstfall 64 neustrukturierte ausbildung für pflegefachfrauen und -männer 65 NATO/EU interview mit Generalmajor Josef Blotz, stellvertretender kommandierender General des eurocorps 66 IT der Bundeswehr aFCea Fachausstellung 2021 im World Conference Center Bonn 70 BWi – non-Visible-Data: Mit nullen und einsen Daten schützen 72 Materna – Die unsichtbare Gefahr – Cyber-attacken in Zeiten der Corona-pandemie 74 atM – Flexibles Bediengerät für dynamisches einsatzumfeld 76 News personalveränderungen 78 Martina rosenberg soll neue präsidentin des MaD werden 80 korvettenkapitän Bianca seifert kann erste kommandantin einer korvette werden 82 „karlsruhe“ auf kiel gelegt 83 International Finnland: resiliente Demokratie durch eine leistungsstarke reservestruktur 84 schweizer stimmen äußerst knapp für kampfflugzeug-nachbeschaffung 88 italien wird mit aW169 partner Österreichs 89 Wehrtechnik panzerfahrzeugzubehör von pearson engineering Ltd 31 securiton – Drohnengefahr wirksam erkennen 54 Zwei Beschaffungen werden neu angesetzt – sturmgewehr und schwerer transporthubschrauber 90 Die Wehrtechnische Dienststelle für Waffen und Munition (WtD 91) 92 kappa – innovatives inspektionsystem für panzerrohre 95 MBDa plant enforcer-Familie 97 DnD – schultergestützte Wirkung (nicht nur) für die infanterie 98 spike sr – Hochmobil und sofort einsatzbereit! 100 „tLVs baut die Fähigkeiten im Bereich schutz merklich aus“ 102 nitrochemie – Mit der top Charge zu neuen reichweiten 104 Die nitrochemie-Gruppe 106 sZenaris – Digitale unterstützung: einsatz und nutzen von assistenzsystemen 107 Bundeswehrbekleidung mit Vektorenschutzausrüstung 108 Service Bücher 112 themenvorschau ausgabe 6/2020 114 impressum 54 Inhalt 5/2020 HHK 5/2020staatsempfänge in Berlin-tegel sind ab dem 21. ok- tober 2020 Geschichte. ab dann werden präsidenten und staatsgäste in schönefeld empfangen. auch der politisch-parlamentarische Flugbetrieb der Flug- bereitschaft BMVg mit Flugzeugen wird ab diesem tag von und nach schönefeld erfolgen. Damit alles klappt, wurde am 5. oktober 2020 geprobt. Bei der probe, die gemeinsam mit dem Bundes- ministerium der Verteidigung, dem auswärtigen amt, dem Bka, der Berliner polizei sowie dem Wachbataillon BMVg erfolgte, wurde die ankunft des königlichen staatsoberhauptes eines fiktiven Generalprobe am Berliner Flughafen BER ©Bw/Jane SchmidtLandes geübt. rund um den empfang wurden zu- sätzlich abflüge der Bundeskanzlerin und der Ver- teidigungsministerin simuliert. es wurden 21 sa- lutschüsse zu ehren des königspaars verschossen, gleichzeitig gab es einen überflug zweier eurofigh- ter des taktischen Luftwaffengeschwaders 74 aus neuburg an der Donau, die die Maschine vorher im deutschen Luftraum eskortiert hätten. Dies ge- hört zu den militärischen ehren, mit denen staats- oberhäupter und präsidenten empfangen werden, wenn sie zum ersten Mal in ihrer Funktion nach Deutschland kommen. (PIZ Lw) ©Bw/Jane Schmidt ©Bw/Francis HildemannFunktionsfitness anstatt Breitensport. Sehr geehrter Herr Lindner, bei den anstehenden Haushaltsberatungen 2021 gibt es Befürchtungen, dass wegen der Corona-Pandemie der Wehretat entweder gedeckelt oder sogar Einbußen erleben wird. Wie sehen Sie die Entwicklung? um den Wehretat 2021 mache ich mir weniger sor- gen, weil ich glaube, dass wir im kommenden Jahr coronabedingt noch wenig einschränkungen im Haushalt haben werden. Die spannende Frage, die man sich stellen muss, ist jedoch: Was heißt das für die Zukunft? Denn die schulden, die jetzt gemacht werden, müssen irgendwann abbezahlt werden. und die relativ kurzen tilgungsfristen werden in den kommenden Jahren Druck auf den Bundes- haushalt auslösen. ich will hier ganz deutlich sagen, kein Ministerium wird davon ausgenommen blei- ben können, zu sehen, wie man den Haushalt kon- solidiert. aber eines sollte man nicht vergessen: allein eine tarifrunde im Öffentlichen Dienst schlägt beim einzelplan 14 mit etwa einer halben Milliarde euro zu Buche. Zusammen mit anderen kostensteigerungen kann man sagen, dass mit einer Milliarde euro mehr pro Jahr nur der status quo er- halten wird – die erste Milliarde mehr ist noch kein Fähigkeitsaufwuchs. Was bedeutet diese Entwicklung mit Blick auf das Zwei-Prozent-Ziel der NATO? Wird hier durch eine mögliche Verlangsamung des Zuwachses nicht ein falsches Signal an andere Bündnispartner ge- setzt? ich glaube, es wird eine unglaublich spannen- de Debatte geben – auch international – um das Zwei-prozent-Ziel. auch die CDu, auch Frau kramp- karrenbauer, erkennen, dass das Zwei-prozent-Ziel ein ungeeigneter indikator ist, die Lastenteilung zu messen. Das erkennt man beispielsweise dar- an, dass Deutschland in diesem Jahr zwischen 1,5 und 1,6 prozent seines Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung ausgeben wird – weil unser Bip sinkt. Man könnte auch zynisch sagen, das ist ein Wert, den wir vor Corona erst 2024 hätten erreichen wollen. aber die tatsache, dass wir ihn bereits 2020 erreichen, führt ja nicht dazu, dass es der Bundes- wehr irgendwie ein Deut besser geht. Das zeigt nur, wie absurd der indikator ist. Was wir hin- kriegen müssen, ist besser zu werden in unseren Fähigkeiten und dem, was wir der nato zur Ver- fügung stellen als zuverlässiger Bündnispartner. Wir müssen also – um es mit Helmut kohl zu sagen – wir müssen gucken, was am ende dabei rauskommt. Auf Fähigkeiten schauen, nicht auf Kosten interview mit MdB Dr. tobias Lindner (Bündnis 90/Die Grünen), obmann im Verteidigungsausschuss und Mitglied im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages 8HHK 5/2020 Politik MdB Tobias Lindner stellte sich den Fragen von André Spangenberg. ©Privat9 es geht um die Fähigkeiten, die wir finanzieren, und erst einmal nicht primär darum, wie viel es kostet. Das transatlantische Bündnis gerät unter Druck und die Europäische Union zeigt mit dem Brexit Risse. Welchen Stellenwert hat für Sie angesichts dessen die Forderung nach einer europäischen Ausgestal- tung der Verteidigungspolitik? Und wie sieht es mit einer gemeinsamen Analyse von europäischen Bedrohungslagen aus? Das ist eine praktische und zugleich akademische Debatte. um eine gemeinsame europäische Ver- teidigungspolitik haben zu können, brauchen wir – und sie haben das stichwort Bedrohungslage genannt – quasi einen gemeinsamen außenpoliti- schen Blickwinkel. Wenn es uns nicht gelingt, eine gemeinsame außenpolitische analyse inklusive der Herausforderung für unsere sicherheit zu finden, bringt auch das instrument gemeinsame Verteidigung nichts. Die skepsis, die ich habe, ist: kriegen wir das in einer eu27 hin oder kommt nur der berühmte Minimalkonsens heraus? ich persön- lich glaube, wir müssen in europa mehr mitein- ander kooperieren, aber das wird nicht so laufen, dass sich immer alle 27 staaten einig sind. es wird vielmehr zunehmend multilaterale, auch bi- und trilaterale kooperation geben – entweder bei Be- schaffung wie bei kampfjets oder einem gemein- samen panzer – aber auch als Beispiel das Deutsch- niederländische Corps. Gemeinsame europäische Verteidigung wird eher eine Graswurzelarbeit sein, die von unten hochwächst, statt irgendwie ein überkopftes konzept. Wenn wir über Rüstungsprojekte sprechen, dann würde ich gern nach Ihrer Meinung fragen, wel- che Sie zu den wichtigsten wehrtechnischen Ent- scheidungen der vergangenen Jahre zählen. Und wie bewerten Sie hier den Schwenk in den signa- lerfassenden Aufklärungsfähigkeiten – Stichwort PEGASUS? es gibt Licht und schatten in dieser Wahlperiode. in die kategorie Licht fällt für mich das Mehrzweck- kampfschiff 180, weil es das erste Großprojekt aus der Ära von der Leyen ist, das überhaupt den Haus- haltsausschuss am ende des tages erreicht hat. ich habe selten in neun Jahren Bundestag eine stellung- nahme zu einem Großvorhaben auf einem tisch gehabt, bei dem der Bundesrechnungshof schreibt, das ist ein gut verhandelter Vertrag. in die katego- rie schatten fallen das gemeinsame kampfflugzeug oder der gemeinsame kampfpanzer. Das sind pro- jekte, bei denen ich das Gefühl habe, es geht nicht voran und es hakt immer noch im Detail – sowohl in der Zusammenarbeit Deutschland und Frank- reich als auch in der Frage der industriestruktur. es gibt aus meiner sicht noch eine dritte kategorie wie das projekt peGasus. Da wird die Geschichte uns lehren, ob die entscheidung richtig war oder nicht. Zumindest war es erst einmal mutig von der Ministerin, bei einem solchen projekt die reißleine zu ziehen, bevor die kosten durch die Decke gehen. ob es die richtige entscheidung war, hängt davon ab, wann tatsächlich die ersten Global 6000 mit dem aufklärungssystem ausgeliefert werden, ob sie funktionieren und einsatzbereit sind. Wir haben da seit 2004 eine Fähigkeitslücke. HHK 5/2020 ©Stefan Kaminski Dr. Tobias Lindner ist seit 2011 Mitglied des Deutschen Bundestages.Next >